Der gestrige Sonntag wird wohl als einer der düstersten Tage der WM2010 in die Geschichte eingehen: Bei beiden Begegnungen hatten die Schiedsrichter ihre Pfeifen im Spiel, ja, vielleicht sogar über Sieg oder Niederlage entschieden. Der dseitlhuber – sportblog wird sich nie für den Videobeweis an sich aussprechen, kann gewisse Dinge allerdings nichts desto trotz nur schwer nachvollziehen.

Mexiko und England hatten Pech, Argentinien und Deutschland nicht – im Gegenteil. Pech insofern, als die Schiedsrichter nicht in der Lage zu sein schienen, Konzentration zu bewahren oder Situationen korrekt zu beurteilen und entsprechend katastrophale Entscheidungen trafen. Im Falle Mexikos bedeutete dies, dass ein Linienrichter – eigentlich recht ordentlich platziert – eine offensichtliche Abseitsstellung nicht angezeigt und der Maradona-Elf den Weg zum Aufstieg geebnet hat.
Rund vier Stunden zuvor war den Deutschen eine unrühmliche Art der „Revanche” (ich verabscheue das Wort, aber die deutsche Sprache hat leider kein besseres zu bieten) für das Wembley-Tor gelungen – einen klaren Treffer von Frank Lampard aberkannte das Schiedsrichter-Trio fälschlicherweise, der stramme Schuss des Briten hatte die Torlinie meilenweit passiert.

Diese zwei Szenen nahm die Weltöffentlichkeit zum Anlass, den Videobeweis mal wieder stürmisch zu fordern, ohne Fehlentscheidung hat man für gewöhnlich keinen Anlass dazu. Wenn sich jemand gegen die Technologie ausspricht, wird er, wie etwa Günther Netzer, schief angeschaut und belächelt. Ich persönlich stehe dem Videobeweis ebenfalls kritisch gegenüber, Dinge wie ‘Challenges’ sind für mich undenkbar: Einerseits wünscht man sich flotte Spiele, weniger Unterbrechungen und andererseits begrüßt man längere Pausen, die durch den Videobeweis zweifelsohne entstünden. Meine Meinung: Was beim Tennis mittlerweile gang und gäbe ist, würde den Fußball viel seines Charmes verlieren lassen.
Den Chip im Ball lehne ich ebenso ab – vergleicht man den Aufwand mit dem Nutzen, schneidet diese ultramoderne Variante mehr als nur schlecht ab.

Dennoch fordere ich Veränderung. Sofern nötig auch durch Videoaufzeichnungen. Freilich nicht im Sinne von ‘Challenges’ oder sonstigem Nonsens, ich spreche vielmehr von Hilfsmitteln, die in extremen Momenten Gerechtigkeit gewährleisten sollen. In meinen Augen entbehrt es sich jeder Logik, dem Schiedsrichter fatale Fehlentscheidungen nicht per Mikro mitzuteilen, ja, noch mehr, ihn sogar von Vidi-Walls fernzuhalten.

Als “schweren Fehler, der nicht nochmal geschehen darf” bezeichnete übrigens ein FIFA-Sprecher die Vorkommnisse beim ersten Treffer Argentiniens. Doch nein, nicht etwa wegen der Fehlentscheidung des Referees, sondern tatsächlich aufgrund der Video-Wall, die Publikum und Spielern die Wahrheit offenbarte (die FIFA-Regularien verbieten dies nämlich, Anm.). Schiedsrichter Rosetti (von dem ich bis gestern eigentlich eine sehr hohe Meinung hatte) stellte sich sowieso blind, bedachte brav die sinnentleerten Statuten und gab einen Treffer, um dessen Irregularität er zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich bereits selbst bescheid wusste. Das, und nichts anderes, ist der eigentliche Skandal des gestrigen Tages – Fehler und Ungerechtigkeiten passieren, aber Fehler und Ungerechtigkeiten können sicherlich reduziert werden. Allein der diesbezügliche Wille scheint Blatter & Konsorten zu fehlen.

Was ich im konkreten fordere, sind fähige Leute, die hinter Monitoren sitzen, das Spiel verfolgen und in Ausnahmesituationen eingreifen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weiters wäre es wichtig, auch im Schiedsrichterwesen das Leistungsprinzip einzuführen – sprich: schwache Leistungen zu bestrafen. Schließlich wäre der oft gebrauchte Vergleich zwischen Schiedsrichtern und Spielern (meist “Auch Spieler machen Fehler, nur regt sich da niemand so auf” formuliert) erst dadurch zulässig, schließlich wird sich jeder Profi in der Regel für vergebene Torchancen, Abspielfehler oder BlackOuts (man frage einfach Osorio) zu verantworten haben – nicht so die Schiris, die vom Fußballweltverband Narrenfreiheit gewährt bekommen.

Dass FIFA-Präsident Joseph Blatter von mehreren hochrangigen Aufklärungsautoren (einer darunter ist Declan Hill, der im Rahmen seiner Untersuchungen für ‘Sichere Siege’ auf belastendes Material gestoßen sein will) Kontakte zu Spielmanipulatoren nachgesagt werden, habe ich hier, der Unschuldsvermutung wegen, außen vor gelassen… Was aber nicht heißt, dass der Leser nicht auch dahingehend die Ohren steif und die Augen offen halten sollte.

Beitrag stammt vom: 28. Juni 2010 – 18:41 Uhr